Berichte von Miriam und Sophia – Individuelle Förderung im Schulalltag

Alle Menschen sind verschieden, genauso die Schüler unserer Primaryschool. Jedes Kind wird mit unterschiedlichen Talenten, Vorkenntnissen sowie einem anderen Lern-Tempo eingeschult. Sofern Kinder wegen fehlender Basiskenntnisse dem Unterricht nicht folgen können, ist eine frühe Förderung vor allem in den Hauptfächern notwendig. Alle Kinder dabei zu unterstützen, das für sie bestmögliche Ziel erreichen zu können, stellt für die Schule eine große Herausforderung dar.

Während meines Praktikums habe ich, Miriam, als Projektleiterin gemeinsam mit dem deutschen Volontär Chris, der über viel Erfahrung im Bereich der Behindertenförderung und Inklusion verfügt, und dem einheimischen Angestellten Dennis ein Förderungskonzept entwickelt. Für die sogenannten „Slowlearners“ entwickelten wir verschiedene Differenzierungsmöglichkeiten wie z. B. die „Alpha-Klasse“ (= Differenzierungsklasse) sowie die „Tuition“ (= Art des Nachhilfeunterrichtes). Diesen Förderunterricht haben wir dann in einer Kleingruppe erteilt. Miram + Dennis

Der Schwerpunkt meiner Arbeit war die „Tuition“. Dennis hat den Slowlearners oder auch anderen Schülern, welche die bereits am Morgen unterrichtete Thematik nicht verstanden haben, im Laufe des Tages eine Doppelstunde Förderunterricht erteilt. Ziel dabei war es, dass die Schüler dem Unterricht wieder folgen konnten. Ausgewählt wurden die Kinder anhand der aktuellen Examensnote sowie der Beobachtungen der Schüler während des Unterrichts. Schließlich rechtfertigen Examensnoten allein nicht, dass Kinder aus ihrem Klassenverband herausgerissen werden. Deshalb musste der Umfang der Lerndefizite und die geeignete Fördermethode individuell festgelegt werden.

Tuitionplan

Wir entwickelten ein „Zwei-Lehrer-System“, auch „Team-Teaching“ genannt. Dennis nahm am Regel-Unterricht als Beobachter teil und übernahm auch die Förderung von Kleingruppen. Diese Arbeitsweise kann mit dem des Sozialpädagogen verglichen werden.

Da Dennis an der Schule häufig Vertretungsunterricht übernahm, folglich die Förderstunden und die Doppelbesetzung ausfielen, erhielt er hierbei Unterstützung durch deutsche Volontäre und Praktikanten. Viele der Volontäre arbeiten gerne im Bereich der Förderung bzw. geben gerne „Nachhilfeunterricht.

Der Förderunterricht soll einen Vertrauensraum schaffen, in dem sich die Schüler mit ihren Problemen an den Förderunterrichtslehrer wenden können. Dadurch können ggf. die Ursachen für schlechte Schulleistungen, wie z.B. familiäre Probleme wie Geldnot oder Gewalt aufgedeckt werden.

Können die geförderten Schüler dem Regelunterricht trotz der Teilnahme an den „Tuition“ nicht folgen, sind andere Maßnahmen, beispielsweise die Versetzung in die „Alphaklasse“, einer ausgegliederten Klasse erforderlich. Diese Klasse bestand aus acht Schülern, mit unterschiedlichem Leistungsniveau und Alter, denen aus verschiedenen Gründen Grundkenntnisse fehlten. Die Kinder werden vom kenianischen Lehrer, Mr. Hamisi, differenzierend in allen Fächern unterrichtet und unterstützt.

Ein Beispiel dafür ist die zehnjährige Flaviour. Ihre Schulkenntnisse basierten auf dem Wissenstand der ersten Klasse. Da sie keinen Kindergarten besucht hatte, in dem man in Kenia die ersten Grundlagen im Schreiben, Rechnen, Lesen sowie vor allem in Englisch lernt, fehlten ihr grundlegende Kenntnisse. Deshalb konnte sie dem Unterricht an der staatlichen Schule nicht folgen und wechselte an die DIANI Montessori Akademie, wo sie am Förderunterricht teilnahm und individuelle Unterstützung erhielt.

Rückblickend schaue ich mit einem guten Gefühl auf das Praktikum und das neue Förder-Konzept. Ich kann stolz berichten, dass ich nach dem Motto Maria Montessoris gearbeitet und „Hilfe zur Selbsthilfe“ geleistet habe. Das Praktikum in Kenia, einem mir bisher fremden Land, vermittelte mir einen Einblick nicht nur in eine neue Einrichtung, sondern auch in die andere Kultur. Die Menschen in ihrem Arbeitsalltag zu erleben, war für mich eine weitere Besonderheit.

Fortführung des Projektes

Im Sommer 2016 arbeitete ich, Sophia, als Volontärin in diesem von Miriam aufgebauten Fördersystem und ich unterrichtete entsprechend ihrem Konzept die Kinder der „Alpha-Klasse“. Während dieser Zeit besuchten sechs Kindern diese Klasse, die von dem kenianischen Lehrer Mr. Hamisi und mir in zwei verschiedenen Leistungsstufen unterrichtet wurden.

Alphaklasse (640x360)

Die Schüler wurden nur in den Hauptfächern von ihren Klassenkameraden getrennt. Für die Nebenfächer wie Religion und Naturwissenschaften besuchten sie ihre ursprüngliche Klasse. Ebenso die Schulausflüge, beispielsweise die Strandtage verbrachten sie zusammen mit ihren gleichaltrigen Mitschülern. Durch die gemeinsamen Aktivitäten sollte die Isolation und Abkapselung der Schüler der Alpha-Klasse vermieden werden.

In der Alphaklasse wird auf Grund der unterschiedlichen Leistungsniveaus kaum frontal unterrichtet, sondern meistens in Gruppenarbeiten. Dadurch war der Unterricht eher mit einer Nachhilfestunde vergleichbar und so individueller. Natürlich ist eine solche Stundenorganisation nur bei mindestens zwei Lehrern möglich und sehr aufwendig.

Die Alphaklasse wurde in einem renovierungsbedürftigen Pavillon unterrichtet. Deshalb erneuerte ich mit zwei andern Volontären die witterungsbedingt verfallenen Außenwände.Sanierprojekt (640x360)

Während meines Aufenthaltes lernte ich auch Flaviour und ihren Bruder kennen. Mir ist allerdings aufgefallen, dass die Probleme der beiden weitaus größer sind als vorher angenommen und nicht nur aus einer fehlenden Basis und zu großen Lücken bestehen. Es wurde eine Beurteilung von kenianischen Fachleuten eingeholt. Beide Schüler wurden als lernbehindert eingestuft. Deshalb wurden sie wieder in ihren alten Klassenverbund eingegliedert, damit sie zumindest ihre sozialen Kompetenzen erweitern und aufbauen können. Sie erhalten nun noch normalen Nachhilfeunterricht, damit sie dem Unterricht zumindest in seinen Grundzügen folgen können. Welche Möglichkeiten in Bezug auf einen Schulabschluss sie haben, wurde mit den Eltern besprochen. Das habe ich persönlich leider nicht mehr mitbekommen.

Die anderen vier Schüler der Alphaklasse haben ihre Abschlussprüfungen erfolgreich bestanden. Sie konnten erfolgreich wieder in ihre Regelklassen eingegliedert werden. Im Fach „Englisch“ allerdings werden die meisten Schüler die Tuition weiterhin besuchen.

So hat sich innerhalb eines halben Jahres die Alphaklasse im Prinzip selber wieder überflüssig gemacht. Es ist ein bereicherndes Gefühlt, an diesen Erfolg mitgewirkt zu haben.